Mit Epilepsie beim Klettern Grenzen überschreiten

Klettern mit Epilepsie? Das geht. Mittlerweile zum dritten Mal gab es dazu Gelegenheit mit der Interessenvereinigung für Anfallskranke in Köln – dank großzügige Unterstützung der Aktion Mensch.

Es ist Samstag Nachmittag, die Sonne scheint, die Stimmung ist entspannt und Menschen mit Epilepsie „überwinden hier ganz bewusst eigene Grenzen“, sagt Michael Müller, Vereinsvorsitzender der Interessenvereinigung für Anfallskranke in Köln e. V., einer seit über 40 Jahren bestehenden Selbsthilfegruppe für Menschen mit Epilepsie und deren Angehörigen. Das ist vielleicht das zentrale Leitbild für den Verein, „denn wenig Zutrauen erfahren Menschen mit Epilepsie schon zur Genüge tagtäglich im Alltag und Beruf“, so Müller.

Großes Projekt für eine neue junge Selbsthilfe

Um die Selbsthilfe – schon der Begriff selbst wirkt manchmal wie ein Stigma – auch jungen Menschen näher zu bringen, geht der Verein mit diesen Kletterevents neue Wege. Informelle Veranstaltungen „bieten Gemeinsamkeit, aber auch Raum für Austausch“, so Müller. Und sie machen einfach auch nur Spaß. Natürlich hat auch Epilepsie-Selbsthilfe das Problem, dass die Teilnehmer immer älter werden. Und dass es schwer ist, auf herkömmlichen Wegen zum Mitmachen zu bewegen.

„Die Selbsthilfe ändert sich hin zu mehr informellen Veranstaltungen und zu Projekten, aber auch anderen Arten der Vernetzung“, beobachtet Jörg Stroisch, der als Projektleiter die Kletteraktionen organisiert.

Das hat auch die Aktion Mensch erkannt und im Rahmen einer Projektförderung fast 40.000 Euro für die Kletterevents – die unter dem Slogan Young Spike Waves bekannt gemacht werden – und für ein spezielles, mehrmonatiges Coaching-Programm zur Verfügung gestellt.

Bei den Stuhlkreisvisionär:innen, wie sich das Coaching-Programm nennt, werden junge Menschen mit Epilepsie und unsichtbaren Erkrankungen über den Zeitraum von etwa 1,5 Jahren bei der Vernetzung und dem Austausch unterstützt. „Coaching bedeutet hier ganz im ursprünglichen Sinne, dass hier keine vorgefertigten Erwartungen und Lösungen umgesetzt werden“, so Stroisch, „sondern dass die Teilnehmer selbst entscheiden, was sie wie machen wollen.“

Dieser Ansatz überzeugt: Die IfA Köln wurde auch wegen dieses Projekts für den Selbsthilfepreis NRW 2024 nominiert. Aus ganz NRW haben Selbsthilfegruppen an dieser Ausschreibung teilgenommen und die IfA ist unter den vorausgewählten Vereinen, unter denen die Gewinner bestimmt werden.

Zwischenstand: Sehr großes Interesse

Nach den ersten drei Kletterevents zieht Stroisch ein erstes positives Zwischenfazit. Insgesamt haben etwa 50 Personen teilgenommen, „viele auch, die bisher keinerlei Berührung mit einer Selbsthilfe-Gruppe hatten“, so Stroisch. Und eine gewisse Vernetzung hat bereits begonnen.

Vom 11. bis 13. Oktober wird das nun noch einmal forciert. Dazu hat der Verein das Landgut Breibach in Kürthen bei Köln angemietet. Der Trainer und Faciliator Dr. Christian Kemper wird hier ein abwechslungsreiches Programm organisieren, mit viel Freiraum für eigene Ideen der Teilnehmer. Im Anschluss wird ein solches Coaching etwa alle 1,5 Monate wiederholt.

Es sind noch Plätze frei – dank der Förderung der Aktion Mensch ist die Teilnahme – inklusive Unterkunft und Verpflegung – komplett kostenlos.

Tamara schafft das Klettern

Ein grüner Griff, hier für die rechte Hand. Dann mit dem linken Fuß auf den schwarzen. „Ich habe es geschafft.“ Tamara ist bis unter die Decke geklettert, auf etwa 20 Meter Höhe. „Das ich mich getraut habe, ist toll“, sagt sie. Epilepsie wie auch viele andere Erkrankungen sind eben doch nicht ein wirkliches Hindernis. „Dass ich bis an meine Grenzen gegangen bin.“ Sie strahlt förmlich.

Und um sie herum ist das Glück vieler Menschen fast mit den Händen zu greifen.

Anmeldung zu den Stuhlkreisvisionär:innen sind möglich unter:
https://www.ifa-koeln.org/junge-selbsthilfe/

Neue Kletterevents der Young Spike Waves werden vermutlich ab November angeboten.

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